Mumbaï, bye bye, ich muss Heim!

Jetzt ist Schluss mit reisen. Ich muss Heim. Ein letztes Mal meine Rucksack packen. Alles wird unscharf, instabil

In Mumbai ist heute Morgen wirklich alles grau. Es ist noch sehr früh. Im Bus, der uns zurück ins Stadtzentrum bringt, sehe ich, wie der Himmel langsam aber sicher rosa, orange und dann blassblau wird. 
Wir kommen von den Filmstudios in Bombay zurück. Ich wurde als Statist in einem zweitklassigen Film rekrutiert. Das ist hier sehr üblich. Heute ist mein letzter Tag der Reise. Ich habe 13 Monate hinter mir, da die Nachrichten von der Familie nicht sehr glücklich waren, habe ich beschlossen, zurückzukehren.
Ich musste in Schönheit enden, ein letztes Abenteuer.

In Mumbai ist heute Morgen wirklich alles grau. Es ist noch sehr früh. Im Bus, der uns zurück ins Stadtzentrum bringt, sehe ich, wie der Himmel langsam aber sicher rosa, orange und dann blassblau wird

 
Wir kommen von den Filmstudios in Bombay zurück. Ich wurde als Statist in einem zweitklassigen Film rekrutiert. Das ist hier sehr üblich. Heute ist mein letzter Tag der Reise. Ich habe 13 Monate hinter mir, da die Nachrichten von der Familie nicht sehr glücklich waren, habe ich beschlossen, zurückzukehren.
Ich musste in Schönheit enden, ein letztes Abenteuer.
 

Wir werden durchgeschüttelt wie Waren in diesem alten, alten Bus, die Tür geht nicht zu und mir ist kalt

 
Eine Nacht ohne Schlaf ist nie sehr gut. Ich klemme meine nackten Arme in den Rucksack, um sie vor der hereinströmenden frischen Luft zu schützen. Meinem Handy ist der Akku ausgegangen und das ist immer so, wenn es wirklich schön wäre, filmen zu können, was ich vom Bus aus sehe. Wenn ich abreise, werde ich sicher ein Handy haben, das hält! 
Wenn ich abreise„, und ich bin noch nicht einmal zurückgekommen, denke ich schon an die nächste Abfahrt.  
Ich werde tolle Kopfhörer haben, die sich nicht dauernd verdrehen und gut in meine winzigen Ohrlöcher passen.
Ich werde ein stärkeres Fotoobjektiv haben und auch ein Weitwinkel.
Ich werde eine Videoausrüstung haben, ich werde Bleistifte haben, ich werde meinen Aquarellkasten mitbringen.
Ich werde einen leichteren Laptop haben, ich werde, ich werde…
Ich werde gehen.
 

Die Gruppe der Statisten löst sich auf und verirrt sich in der Stadt, ohne sich zu verabschieden 

 
Keiner kümmert sich um den anderen. Reisende sind manchmal so. Andere Abenteuer warten auf sie.
Ich nehme die Treppen die zu dem Hotel führen, vier Stöckwerke höher. Da habe  ich ein Zimmer genommen, ich grüße den Wachmann.
Ich frage nach der Wäsche, die ich bei meiner Ankunft der Wäscherei anvertraut habe, sie ist da.
Der Wachmann, als guter Inder, fragt mich ohne jede Höflichkeitsformel und mit Aggressivität nach dem Geld für die Wäsche.
Nun, eine schlaflose Nacht hilft mir nicht, nachsichtig zu sein, ich werde wütend, er fühlt sich dumm, taucht die Nase in seine Papiere. 
Ich habe plattgedrückte fettige Haare auf dem Kopf, der Kohl ist mir über die Augenlider gelaufen und mir ist immer kalt. Und dann habe ich auch noch Hunger.
 

Da fällt mir ein, erst eine gute heiße Dusche, danach ein Frühstück, in einem schicken Café im französischen Stil. Es ist sehr teuer, aber der Kaffee ist gut, das Brot knusprig und es gibt einen Wifi-Anschluss.

 
Die Dusche ist kalt.
Im Café wird die Internet Verbindung immer wieder unterbrochen.
Der Kellner ist mürrisch, ich verstehe nicht, was er sagt.
Der Kaffee bereitet mir Bauchschmerzen.
Ich muss mehrmals den Platz wechseln, weil es überfüllt ist, weil ich allein an einem Vierertisch sitze, weil.
Das Menu „Tartine“ besteht aus drei winzigen Baguettescheiben, die sehr teuer sind. Wir sind in Indien. Ein Land voller Essen für fünf Cent.
Die unterbrochene Verbindung gibt mir gerade genug Zeit, um meine E-Mails zu checken und die Nachricht über meine Rückkehr an meine Söhne zu senden.
Keiner weisst, bis auf meine Tochter dass, ich zurückkomme. 
 

Ich habe auf etwas gewartet, das mich hier hält. Eine Idee. Einen Job. Einen Mann. Ein Wunder

 
Ich zögere ein paar Minuten lang. Ich widerstehe. Ich warte immer noch auf ein Wunder in letzter Sekunde. Gut möglich, dass niemand wirklich auf mich wartet.
Aber hier bin ich, ich drücke „Enter“, um die Nachricht zu senden. Das war’s, es ist vorbei.
Ich muss jetzt zurückkommen.
Und es geht immer noch nicht vorbei, ich schreie mich innerlich zu Tode und habe ein richtig wütendes Verlangen zu weinen. Es wird alles gut.
Verzweifelt. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Aber ich muss etwas tun.
Ich werde sie alle wiedersehen und ich bin nicht glücklich darüber?
Das ist wahrscheinlich die Wahrheit. Ich vermisse niemanden.
 

Manchmal verirren wir uns gemeinsam. Ich fand mich wieder, allein, auf einer Reise

 
Ich träumte so sehr von meiner Rückkehr, von der Aufregung, von meinen Kindern, die am Flughafen auf mich warteten, von ihren Armen, von meiner Freude, von der Aufregung, von Herzklopfen.
Märchen, Filme, die Rückkehr der verlorenen Mutter!
Ich komme traurig und niedergeschlagen zurück. Ich habe es nicht bis zum Ende meiner Reise geschafft. Ich komme zurück, weil ich den Gedanken nicht mehr ertragen kann, dass es meiner Tochter nicht gut geht, dass ich nicht da bin, um sie zu trösten und zu unterstützen.
Ich konnte dem Schuldgefühl nicht widerstehen, der mir sagte, ich solle zurückkommen. Weil sie mich brauchen. In Wirklichkeit wird es anders sein. Sie werden mich nicht mehr brauchen wenn ich da sein werde, weil ich da bin. Ich werde meinen Platz einnehmen und werde den Job wieder machen. Dann können sie gehen, irgendwo anders, weit weg von mir.
 

Heute Morgen bin ich müde, eine schlaflose Nacht, heute Abend gehe ich. Fünfzehn Stunden Flug, fünf Stunden am Flughafen, zwei Stunden in der Metro, zwei Stunden im Zug. Wieder eine schlaflose Nacht. Ich werde später schlafen

 
Ich muss raus aus meinem Zimmer, ich muss noch einmal Mumbais Luft schnuppern, die schlafenden Kinder auf den Bürgersteigen, die unaufhörliche Belästigung durch die Verkäufer, die ohrenbetäubenden Hupen. Bevor es zu spät ist. Ich muss raus aus meinem Zimmer, noch einmal. Aber ich bin jetzt zu müde. Ich muss etwas schlafen. Nur ein bisschen, und dann werde ich in der Bucht ertrinken, dem schmutzigen Meer, das nicht einmal nach Meer riecht. Ich werde in meinen dunklen Gedanken ertrinken. So wie die Inder sich im verschmutzten Ganges reinigen, werde ich vielleicht von meinem Kummer gewaschen daraus hervorgehen. 
 

Aufmerksam lausche ich dem infernalischen Lärm von Mumbai, wie ein Gedicht, das man auswendig lernen muss

 
Das schicke Viertel ist überfüllt. Alle gehen zu den Toren Indiens. Das Arc de Triomphe-Gebäude mit Blick auf das Meer.
Es ist Urlaubszeit für die Inder. Sie stehen dicht gedrängt um das Denkmal.
Die Mercedes, die Imperatoren, bahnen sich kaum einen Weg zwischen den Taxis, Motorrädern, Radfahrern und unzähligen Fußgängern.
Die Frauen in reich verzierten Saris und die schmutzigen Bettler, die ihre Hände ausstrecken.
Die kleinen Mädchen in den Mülltonnen mit dünnen Schultern, die zotteligen Haare und die anderen Kinder, fett und sauber.
Die Straßen mit unebenem Kopfsteinpflaster, der überdimensionale Bahnhof, die imposanten Gebäude, die gotischen Glockentürme, Kirchen, Tempel, Luxushotels, die Slums. Familien machen ihre Betten auf dem Bürgersteig, Kricketspieler trainieren in den grünen Parks. Ratten, Hunde, auf di Strasse, Männer, die gemeinsam auf dem Boden essen, Behinderte, die auf dem Bürgersteig herumkriechen. 
 

Ein bisschen mehr von hier, ein bisschen mehr von dort, ein bisschen mehr Zeit. Da es jetzt vorbei ist

 
Noch einmal hinausgehen, um die Stadt zu Fuß zu durchqueren, in der Hitze dieses indischen Winters.
Ein letzter Sonntag in Mumbai und Basta. Drei kleine Touren und dann geht’s los.
Heute Abend bleibt der Zähler stehen.
Eine weitere schlaflose Nacht liegt vor mir, das Flugzeug hebt um 3 Uhr morgens ab.
 
In der Nacht versucht der Nachtwächter, meine Gunst zu bekommen. Er kommt zurück und klopft an meine Zimmertür. Ich antworte durch die Tür, dass ich schlafe. Er besteht darauf, ich brülle. „Nein, jetzt schlafe ich! »
Aber ich schlafe nicht, ich lese, ich denke nach. Um ein Uhr nachts bin ich bereit, das Taxi wartet unten auf mich. 
Der Flughafen ist überfüllt.
Ich erfahre, dass sich Frankreich im Krieg mit Mali befindet.
Ich gehe durch den Zoll, fülle die Ausreisekarte aus, tausche meine letzten Rupien in Dollar, denn es ist verboten, mit indischer Währung ins Ausland zu gehen.
Reisepass, gestempeltes Visum. Transitzone.
Ich bin hungrig, versuche Frühstück zu kaufen, aber wenn ich in Dollar bezahle, gibt er mir Wechselgeld in Rupien. Zu meinem Entsetzen schenke mir der Junge den Kaffee ein. 
Es ist Zeit zu gehen. Ich nehme meinen Platz ein. Ich wickle mich in die Decken ein, die ich auf dem Markt in Udaïpur gekauft habe, und falle in einen komatösen Schlaf. Ich höre nicht einmal, dass das Flugzeug abhebt.
Korrespondenz in Dubai. Ein weiterer Abflug.
Sieben Stunden später, Paris unter unseren Füßen. In Roissy Charles de Gaulle sind es 5 Grad.
Zollkontrolle. Bewaffnete Kräfte überall auf dem Flughafen. Ich warte auf meinen Rucksack auf dem Gepäckband.
Ich sehe fürchterlich aus. Ich fühle mich schmutzig, verblichen.
RER B bis Gare de Lyon. TGV nach Lyon Perrache. 
 

Der Tag neigt sich wieder einmal dem Ende zu und ich muss den Zug nehmen, um endlich meine Söhne zu finden, die auf mich warten. Meine Söhne.

 
Der Zug wird langsamer. Für den Bruchteil einer Sekunde erhasche ich einen Blick auf die imposante Silhouette meines älteren Sohnes. Ich würde sie überall wiedererkennen. Zwischen Tausende. 
Der Zug hält an. 
Siebentausendfünfhundert Kilometer.
Dreizehn Monate.
Strände, Dschungel, Wüste, Himalaya.
Hier sind wir, auf diesem Bahnsteig, in der Nacht, in der Kälte des Januars.
Ich weiß nicht, wer von uns glücklich, gerührt oder verlegen ist.
Ich weiß nicht, was wir fühlen.
Sie liegen einfach in meinen Armen.
Ich finde sie wieder, bevor ich sie wieder verliere in der Szenerie, dem Lärm, der Straße.
Nur ein paar Sekunden, bevor alles wieder zur Normalität, zur Routine wird.
Ihre Stimmen, ihre Gesichter. Ich sage zu mir „wie schön sie sind, wie schön sie sind …„.
Das Schnurren des Autos, der Geruch des Hauses, die Sanfte der Katze.
Nichts hat sich verändert, aber alles ist anders.
Reisen ist lebensverändernd. Das tut es wirklich.

Reisen ist leben !

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